Es steht Aussage gegen Aussage: Der Verfassungsschutz will einen LKA-Beamten bei einem Treffen mit einem Rechtsextremisten beobachtet haben. Er habe nie mit Neonazis zu tun gehabt, beteuert dagegen der Polizist.
Im Neukölln-Untersuchungsausschuss des Berliner Abgeordnetenhauses bleibt ein wichtiger Streitpunkt zwischen zwei Sicherheitsbehörden unaufgelöst.
In der vorletzten Sitzung zur Beweisaufnahme wehrte sich der LKA-Beamte Andreas W. am Freitag gegen den Vorwurf, er habe sich privat mit einem Neonazi in einer Kneipe getroffen und den Ort dann zusammen mit ihm im Auto verlassen.
Das wollen Observationskräfte des Berliner Verfassungsschutzes im März 2018 an der Rudower Kneipe "Ostburger Eck" beobachtet haben.
Den Mann, mit dem Andreas W. unterwegs war, identifizierten sie als Sebastian T. – jenen Neonazi, der im vergangenen Dezember wegen zwei Brandstiftungen in Neukölln zu einer langjährigen Haftstrafe verurteilt wurde.
Insgesamt werden der rechtsextremistischen Anschlagsserie mindestens 72 Straftaten zugeordnet, davon 23 Brandstiftungen. Opfer waren vor allem Menschen, die sich gegen Rechtsextremismus engagieren oder einen Migrationshintergrund haben.
Vor dem Untersuchungsausschuss sagte der LKA-Beamte Andreas W. nun, er könne sich den Bericht des Verfassungsschutzes nicht erklären.
Er sei an dem Abend mit einem Freund im "Ostburger Eck" gewesen und habe den nach Hause gefahren. "Mit Rechts hatte ich im Leben noch nie etwas zu tun", betonte der Polizist, er sei "eher auf der anderen Seite".
Die Berliner Polizei geht davon aus, dass die Observationskräfte des Verfassungsschutzes den Freund des LKA-Beamten mit dem Neonazi Sebastian T. verwechselten.
Das würde allerdings bedeuten: Der Verfassungsschutz konnte einen der bekanntesten Neonazis der Stadt, der sogar auf der Liste rechtsextremistischer Gefährder stand, nicht korrekt identifizieren.
Von daher ist es wenig verwunderlich, dass der Verfassungsschutz bei seiner Version des Geschehens bleibt.
Auch im Job habe er nie mit dem Bereich Rechtsextremismus zu tun gehabt, erklärte Andreas W. im Ausschuss.
Der Linken-Abgeordnete Niklas Schrader verwies darauf, im Abschlussbericht der Sonderkommission zur Neuköllner Anschlagsserie heiße es aber, W. sei "in der Vergangenheit mehrmals an Observationen gegen T. beteiligt gewesen".
Wieso brauchen wir einen Linken-Politiker, um zu erfahren, ob VS oder Polizei die Unwahrheit sagen?
Die Erklärung des LKA-Beamten: In der Rechtsextremismus-Abteilung des Landeskriminalamts habe es damals einen Kollegen mit dem gleichen Nachnamen gegeben, es habe sich um eine Verwechslung gehandelt.
Der Rechtsbeistand des Polizisten betonte, in der Ermittlungsakte des Falls sei am Ende von einem "Irrtum" die Rede.
Als erster Zeuge der Sitzung hatte zuvor der CDU-Politiker Frank Henkel ausgesagt, der von 2011 bis 2016 Berliner Innensenator war. Zur inhaltlichen Aufklärung des Neukölln-Komplexes konnte der 61-Jährige nichts beitragen. "Ich habe mich als Innensenator nicht ins operative Geschäft eingemischt", betonte Henkel mehrfach.
Der Fokus in seinen Amtsjahren habe darauf gelegen, sich um eine bessere personelle und finanzielle Ausstattung des "runtergesparten" Sicherheitsapparats zu kümmern und den Landesverfassungsschutz nach verschiedenen Affären neu aufzustellen.
Die Straftaten in Neukölln seien erst gegen Ende seiner Amtszeit, als es eine Häufung von Kfz-Brandanschlägen gab, als zusammenhängender Komplex identifiziert worden, so Henkel.
Was ja schlecht ist
Betroffene der Anschlagsserie, die die Sitzung im Saal verfolgten, zeigten sich entsetzt über die Aussage des früheren Innensenators.
Sie habe als erste Zeugin im Ausschuss berichtet, dass es bereits von 2010 bis 2012 verschiedene Brandanschläge auf Büros und eine Galerie in Neukölln gegeben habe, sagte Claudia von Gélieu, deren Auto 2017 von Rechtsextremen angezündet worden war.
Henkels Aussage, es mangele der Polizei nicht an der notwendigen Sensibilität gegenüber Betroffenen der Anschläge, wurde von Zuschauerinnen im Ausschuss mit bitterem Lachen quittiert.
Die nächste Sitzung des Untersuchungsausschusses am 4. Juli ist die letzte, bei der Zeugen gehört werden. Geladen sind Ex-Justizsenator Dirk Behrendt (Grüne) und der frühere Innensenator Andreas Geisel (SPD) sowie der damalige Innen-Staatssekretär Torsten Akmann.
Nach der Sommerpause beginnen die Ausschuss-Mitglieder mit der Arbeit am Abschlussbericht. Er soll im kommenden Frühjahr vorliegen und dann vom Abgeordnetenhaus verabschiedet werden.