Als Jonathan K.* am Freitagnachmittag seine Wohnung verlässt, um mit seinem Hund im Kreuzberger Park am Gleisdreieck spazieren zu gehen, wusste er nicht, dass er wenig später um sein Leben fürchten muss.
Wie gewohnt legt der 60-Jährige, der kein Jude ist, aus Solidarität seine Davidsternkette um und trägt an diesem Sommertag auch ein T-Shirt mit dem Symbol des Volkes Israel und des Judentums auf der Brust.
Falls damit die israelische Flagge gemeint ist: Scheiß Move.
Schon als er wenig später den Park betritt, wird er, wie eigentlich täglich, so sagt er, antisemitisch beschimpft. „Free Palestine“, ruft ihm eine Gruppe junger Frauen entgegen, als er an den Tischtennisplatten nahe des Kreuzberger Möckernkiez entlangläuft.
Mich würde das Symbol interessieren, aber wenn das nur ein Davidstern war, ist das nicht cool.
Jonathan ignoriert die täglichen Beschimpfungen, die ihm auf den Straßen Kreuzbergs begegnen, mittlerweile schon fast.
Ganz egal, ob aus dem Auto oder auf dem Gehweg: Mit „Kindermörder!“-Rufen oder Genozidvorwürfen sieht sich der Mann fast täglich konfrontiert.
Mich würde interessieren, ob der Vorwurf der Genozidunterstützung gerechtfertigt ist. Der Mann ist selbst nicht jüdisch, scheint sich aber stark mit Juden zu solidarisieren, was erstmal based ist.
Allerdings vertraue ich dem Tagesspiegel hier nicht genug, um mit den Framing mitzugehen. Könnte auch ein weirder Antideutscher sein, der für seinen „Aktivismus“ kritisiert wird.
Doch was an dem bis dahin sonnigen Freitag im Park geschah, hat auch seine bisherigen Erfahrungen um einiges überschritten.
Als er kurz den Bouleplatz passierte, lief ein jüngerer Mann mit Kufiya an ihm vorbei. Dieser drehte sich schlagartig um, nahm Jonathans Davidstern wahr und fing an zu schreien.
„Du Mörder. Hau ab!“ rief er, zeigte Jonathan den ausgestreckten Mittelfinger und zog aus seiner Hosentasche ein Messer.
Das ist unter keinen Umständen zu rechtfertigen.
Jonathan habe Blut an den Händen, rief der Mann zudem. Ein Vorwurf, der für Jonathan nicht selten ist. Doch der Ton und die Wut, die herauszuhören waren, seien selbst für ihn ungewohnt gewesen.
Am dieser Stelle möchte ich hinzufügen, dass der Täter wohl Österreicher war. Wollte ich nur hinzufügen. War hier also kein böser Kreuzberger.
https://x.com/alx_froehlich/status/1936376478427730294
Wie der Tagesspiegel außerdem erfuhr, soll der Mann auch Jonathans Davidstern mit dem Hakenkreuz verglichen haben.
Als der 60-Jährige den bewaffneten Mann nicht mehr besänftigen konnte und nachdem er einen Sicherheitsabstand aufgebaut hatte, rief er die Polizei.
Doch das schien den wütenden Kufiya-Träger nur noch mehr in Rage zu versetzen. Nur sein Hund und wenige Meter trennten den bewaffneten Mann und ihn.
Kurz darauf rannte der Mann mit dem gezogenen Messer auf Jonathan zu, verfolgte ihn, machte stichartige Bewegungen und bedrohte sein Leben sowie das seines Hundes: „Ich stech dich ab! Ich stech den Hund ab!“, schrie er unter anderem. Und das alles so laut, dass es auch mehrere Besucher des Parks deutlich hörten.
Ausschnitte der Szene hat eine Parkbesucherin gefilmt. Das Video wurde auf der Plattform X geteilt. Auch dort ist zu sehen, wie ein Mann Jonathan unter anderem mit den Worten „Du Kindermörder!“ schreiend hinterherrennt. Der Hund wirkt nervös, knurrt und bellt den Angreifer an.
Fast zeitgleich traf die Polizei ein. Auch eine Polizistin außer Dienst bekam den Vorfall mit. Daher konnte sie die alarmierten Beamten schnell zum Tatort führen.
Zugleich gingen mehrere Anrufe bei der Polizei ein. Die Einsatzkräfte mussten fast bis zum Äußersten ihrer Mittel greifen.
Da sie inmitten der Bedrohungslage eintrafen, zog ein Beamter seine Schusswaffe und trat dem Angreifer mit einer entschlossenen Schusshaltung entgegen, berichtete eine Sprecherin der Polizei.
Mit ist die Wortwahl irgendwie suspekt, aber nur ein Gefühl
Erst kurz darauf warf der Mann das Messer weg.
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Laut der Sprecherin befindet sich der 29-Jährige seit Sonnabend in einer psychiatrischen Einrichtung. Er soll bislang nicht polizeibekannt gewesen sein.
Wie auch bei anderen antisemitischen Straftaten ermittelt in diesem Fall der für politisch motivierte Straftaten zuständige Staatsschutz des Landeskriminalamtes (LKA).
Dem 29-Jährigen wird versuchte gefährliche Körperverletzung, Bedrohung und Beleidigung vorgeworfen. Nach Tagesspiegel-Informationen ist der Mann österreichischer Staatsbürger, er hat zudem einen nicht-europäischen Migrationshintergrund.
Auch einen Tag nach dem Vorfall ist Jonathan noch spürbar betroffen. „Das war nur die Spitze des Eisbergs“, berichtet er dem Tagesspiegel.
Rückblickend ist er vor allem von der mangelnden Zivilcourage anderer Parkbesucher enttäuscht.
Sehr sind mehrere Anrufe bei der Polizei eingegangen und einem wütendem Mann mit Messer würde ich ich auch nicht nähern
Der Angreifer habe ihn schließlich mehrere Minuten lang lautstark mit antisemitischen Parolen angeschrien und niemand hätte eingegriffen. Eine Zivilcourage, die er auch sonst auf Berlins Straßen beim Thema Antisemitismus viel zu oft vermisst.
Trotz des traumatischen Erlebnisses fuhren Jonathan und seine Ehefrau im Anschluss zur wöchentlichen Mahnwache am Fraenkelufer.
Dort versammeln sich jeden Freitagabend zum Erev Shabbat Menschen, um die jüdische Gemeinde zu unterstützen und ein sicheres Geleit zum Gottesdienst zu gewährleisten.
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